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Heuballen – Transformation Maßem / Müller, 2014

von Christina Biundo

Denn wahrhaftig steckt die Kunst in der Natur, wer sie heraus kann reißen, der hat sie.
Albrecht Dürer, 1504

Im Dezember 2010 wurde die Großplastik „Kleines Rasenstück“ der Bildenden Künstler Klaus Maßem und Werner Müller auf dem 570 qm großen Verkehrskreisel am Ortsrand der Gemeinde Zerf installiert und eingeweiht. Die plastische Installation mit 130 Einzelfiguren aus 650 laufenden Metern Zinkrohr in verschiedenen Maßen, die geschnitten, gedehnt und gelötet eine sorgsam durchgestaltete und in sich geschlossene Komposition ergaben, bespielte den Kreisverkehrsplatz bis September 2011.

Mit seiner Aufstellung geriet das Kunstwerk in den Blick der Öffentlichkeit und wurde Teil einer Debatte über die Verkehrssicherheit von so genannter „Kreiselkunst“, auch wenn die notwendigen Vorgaben eingehalten wurden. Die Gestaltung und Wirkung des „Kleinen Rasenstückes“, metallisch Halme und Gräser überlebensgroß nachbildend, hatte eine über das sachliche hinausgehende Diskussion zur Folge, die schlussendlich auch zum Abbau der Installation führte. Bereits während der Demontage entwickelten die Künstler Maßem und Müller die Idee, das „Kleine Rasenstück“ künstlerisch weiter zu entwickeln und in einen ebenfalls großplastischen, runden Heuballen zu überführen. Das Vorhaben war zu diesem Zeitpunkt allerdings nicht umsetzbar. Indes wurde 2012 aufgrund der unbestrittenen künstlerischen Qualität des ursprünglichen „Kleinen Rasenstücks“ eine ausgewählte Gruppe von Halmen und Blüten unter dem Titel „Herbarium“ an einer Gabionenwand auf dem Gelände der Staatlichen Weinbaudomäne Avelsbach in Trier installiert. Gleichzeitig wurde die Idee der Transformation in einen „Heuballen“ erneut aufgegriffen und die Stiftung Rheinland-Pfalz für Kultur förderte in der Folge den künstlerischen Transformationsprozess. Der aus Teilen des „Kleinen Rasenstückes“ generierte „Heuballen“, mit einem Durchmesser von 2,55 m und einer Länge 2,35 m, fand im Juni 2015 an einem prominenten Platz der Staatlichen Weinbaudomäne Avelsbach in Trier eine finale Präsentationsfläche.

Es ist eine übliche und prozessorientierte Vorgehensweise in der Bildenden Kunst, Kunstwerke zu verändern, um ihnen einen neuen, erweiterten Ausdruck zu verleihen. Vor allem in der Malerei findet man Verwerfungen und Neugestaltungen durch die gesamte Kunstgeschichte. In der Bildhauerei oder Objektkunst ist die grundlegende Veränderung einer Arbeit eher eine Seltenheit. Das liegt im Wesen der Objektkunst, die sich normalerweise abgeschlossen und monumental präsentiert. Der „Heuballen“ von Maßem und Müller ist eine der wenigen Objekte, die auf der Basis der ursprünglichen Aussage durch ihre Verwerfung und Neugestaltung in eine folgerichtige Transformation gebracht wurden. Aus künstlerischer Sicht bestand hier eine sinnhafte Möglichkeit, dem Vorbild aus Prozessen der Landwirtschaft folgend, Halme einer Wiese zu einem runden Heuballen weiter zu verarbeiten. Die ursprüngliche Idee des „Kleinen Rasenstücks“ wurde logisch weiter gedacht und konsequent umgesetzt.

In der neu entstandenen Plastik „Heuballen“ werden die Energie und der Gestaltungswert der Ursprungsarbeit aufgegriffen und transformiert. Die vorhandenen Halme und Blüten aus Zinkrohr werden geknickt, gestaucht und gepresst. Dadurch verändert sich die Energie des „Heuballens“ gegenüber dem „Kleinen Rasenstück“. Richtete sich die Kraft des „Rasenstücks“ wachsend nach Außen, richtet sich die Kraft des „Heuballens“ abwartend nach Innen. Lebte das „Kleine Rasenstück“ durch Bewegung und Beweglichkeit im Außen, ruht der „Heuballen“ in einer Art Transformationsenergie im Innen.

Trotz seiner Größe und Monumentalität hat der Heuballen eine intrinsische Leichtigkeit. Und obwohl die Stauchungen und Knickungen der Halme sichtbar und die damit einhergehenden Verletzungen spürbar sind, hat das Objekt etwas Heiteres. Etwas Selbstverständliches, das keine Fragen offen lässt. Denn in der Plastik werden das Verhältnis und die Möglichkeiten von Kunst und Wirklichkeit neu ausgehandelt. Der Heuballen tritt nicht als Opposition zur Wirklichkeit auf, vielmehr transformiert er sie in doppelter Hinsicht unmittelbar. Sowohl der Prozess der Metamorphose von Gras zu Heu, wie auch der Heuballen als landschaftsprägendes Produkt der Landwirtschaft dienen als Gestaltungsvorbilder. Diese Gestaltungsauffassung zeigt die Wirklichkeit nicht als Fremdes oder Unverfügbares, sondern als die gerade durch ihre Mitgestaltung erfahrbare Gesamtheit künstlerischer und wirklicher Prozesse. Dabei weist der „Heuballen“ weit über den Transformationsgedanken, hinaus und präsentiert sich sowohl als kraftvolle künstlerische Neuformulierung, wie auch als klares und eigenständiges Kunstwerk im öffentlichen Raum, dessen Ästhetik aus innerer Folgerichtigkeit und äußerer Ausgewogenheit erwächst und das zudem vollkommen unprätentiös die Essenz künstlerischer Schaffens- und die Dynamik gesellschaftlicher Polarisierungsprozesse formuliert.
For truly, art is in nature, and whoever can tear it out, has it.
Albrecht Dürer, 1504

In December 2010, the large sculpture "Kleines Rasenstück" (eng. - "small piece of lawn") by the visual artists Klaus Maßem and Werner Müller was installed and inaugurated on the 570 square meter roundabout on the outskirts of the village of Zerf. The sculptural installation with 130 individual figures made of 650 running meters of zinc pipe in various dimensions, which were cut, stretched and soldered to create a carefully designed and self-contained composition, occupied the roundabout square until September 2011.

With its installation, the work of art came into the public eye and became part of a debate on the road safety of so-called "roundabout art", even though the necessary specifications were adhered to. The design and effect of the "Kleines Rasenstück", metallically reproducing stalks and grasses larger than life, led to a discussion that went beyond the factual discussion and ultimately to the dismantling of the installation. Already during the dismantling, the artists Maßem and Müller developed the idea of further artistically developing the "Kleines Rasenstück" and transforming it into a likewise large-sculptural, round bale of hay. However, the project could not be realized at that time. Meanwhile, in 2012, due to the undisputed artistic quality of the original "Kleines Rasenstück", a selected group of stalks and blossoms was installed under the title "Heuballen" ("bale of hey") on a gabion wall on the grounds of the State winegrowing domain Avelsbach in Trier. At the same time, the idea of transformation into a "hay bale" was taken up again and the Rheinland-Pfalz Foundation for Culture subsequently supported the artistic transformation process. The "Heuballen" generated from parts of the "Kleines Rasenstück", with a diameter of 2.55 m and a length of 2.35 m, found a final presentation area in June 2015 at a prominent location of the State winegrowing domain Avelsbach in Trier.

It is a common and process-oriented approach in the visual arts to modify works of art in order to give them a new, expanded expression. Especially in painting, one finds distortions and redesign throughout the history of art. In sculpture or object art, the fundamental change of a work is rather a rarity. This lies in the nature of object art, which is usually self-contained and monumental. The "Heuballen" by Maßem and Müller is one of the few objects that, based on the original statement, have been brought into a logical transformation through their rejection and redesign. From an artistic point of view, there was a meaningful possibility here, following the example of agricultural processes, to further process stalks from a meadow into a round bale of hay. The original idea of the "Kleines Rasenstück" was logically thought through and consistently implemented.

In the newly created sculpture "Heuballen", the energy and design value of the original work is taken up and transformed. The existing stalks and blossoms made of zinc pipe are bent, compressed and pressed. This changes the energy of the "Heuballen" compared to the "Kleines Rasenstück". If the power of the "Kleines Rasenstück" is directed outwards as it grows, the power of the "Heuballen" is directed inwards as it waits. If the "Kleines Rasenstück" lived through movement and mobility outside, the "Heuballen" rests in a kind of transformation energy inside.

Despite its size and monumentality, the hay bale has an intrinsic lightness. And although the compressions and kinks of the stalks are visible and the resulting injuries can be felt, the object has something cheerful about it. Something self-evident that leaves no questions unanswered. For in sculpture, the relationship and possibilities of art and reality are renegotiated. The bale of hay does not appear as an opposition to reality, rather it directly transforms it in two ways. Both the process of metamorphosis from grass to hay and the hay bale as a landscape-forming product of agriculture serve as models for design. This concept of design shows reality not as something foreign or unavailable, but as the totality of artistic and real processes that can be experienced precisely through its co-creation. The "Heuballen" points far beyond the idea of transformation and presents itself both as a powerful artistic reformulation and as a clear and independent work of art in public space, whose aesthetics arise from inner consistency and external balance and which also formulates the essence of artistic creativity and the dynamics of social polarisation processes in a completely unpretentious way.